Mehr als fünf Jahre dauerte der Prozess, bevor das Oberlandesgericht München 2018 das Urteil im NSU-Prozess sprach. Dieser Tag war ganz besonders wichtig für die Angehörigen der Mordopfer und die Opfer der Anschläge: er bedeutete die Strafe für diejenigen, die ihnen dieses Schicksal aufgebürdet hatten. Zufrieden waren viele von ihnen dennoch nicht: Sie fanden, dass die Richter sich nicht gründlich genug mit den Strukturen in der rechtsextremen Szene beschäftigt hatten. Und dennoch: Im Urteil wurde festgestellt, welche Schuld die fünf Angeklagten mit ihrer Beteiligung am Nationalsozialistischen Untergrund trifft.
Inhalt
Das Urteil
Die Begründung
- In diesem Artikel geht es um den Tag, an dem das Urteil im NSU-Prozess verkündet wurde. Lies den Auszug durch uns extrahiere, welche Punkte laut Gericht für die Schuld von Beate Zschäpe sprechen.
Reaktionen
Das Urteil und der vorangegangene Prozess wurden in den Medien unterschiedlich kommentiert. In diesen Zitaten geht es um die Arbeit des Gerichts:
(Bayerischer Rundfunk, 11.7.18)
(FAZ, 11.7.18)
(Süddeutsche Zeitung, 11.7.18)
Was du beim Lesen dieser Zitate sicherlich gemerkt hast: Über die Arbeit und den Erfolg des Gerichts gibt es sehr unterschiedliche Ansichten. Insbesondere Angehörige der Ermordeten, Überlende der Attentate und verschiedene InteressenvertreterInnen übten im Anschluss Kritik, die du hier in Auszügen nachlesen kannst.
Gamze Kubasik, Tochter des in Dortmund erschossenen Kioskbesitzers Mehmet Kubasik
(Stuttgarter Zeitung, 11.7.18)
Amnesty-International-Mitarbeiterin Maria Scharlau
(Mitteilung Amnesty International, 11.7.18)
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München
(Twitter, 11.7.18)
Mit der Verkündung des Urteils ist ein Gerichtsprozess allerdings bei Weitem noch nicht erledigt: Das Gericht musste im Anschluss noch eine ausführliche schriftliche Begründung des Urteils vorlegen, aus der ganz klar ersichtlich ist, welche Schuld die Angeklagten jeweils trifft. Das geschah erst geraume Zeit später: im April 2020, also nach beinahe zwei Jahren. Dafür war dieses Dokument sehr ausführlich – mehr als 3.000 Blatt Papier.
Und es bedeutet den nächsten Schritt: Die VerteidigerInnen der Angeklagten können auf Grundlage der Urteilsbegründung Revision gegen das Urteil einlegen. Das bedeutet, dass ein anderes Gericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die Entscheidung der Richter aus München überprüft. Sollten die Karlsruher RichterInnen der Meinung sein, dass es Fehler im Urteil gibt, müsste im Extremfall der Prozess wiederholt werden. Damit wird jedoch nicht gerechnet. Außerdem überprüft der Bundesgerichtshof ausschließlich juristische Fehler; also, ob die KollegInnen aus München korrekt gearbeitet haben. Sie laden nicht noch einmal Zeugen oder schauen sich Beweise an.
Nach dem Prozess
Möchtest du verfolgen, wie es im Fall NSU weitergeht? Dann solltest du dich auf dem Laufenden halten. Hier findest du Entwicklungen, die auch nach dem Urteil im Prozess noch nicht abgeschlossen sind. Darum kann sich dort jederzeit etwas tun!
Wie es weitergeht:
– Vier der fünf Angeklagten haben gegen ihr Urteil Revision eingelegt.
→ Diese Fragen kannst du dazu stellen: Hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, ob er die Revision annimmt? Hat vielleicht einer der Verteidiger seinen Revisionsantrag schon wieder zurückgezogen?
– Bis auf Beate Zschäpe sind alle Angeklagten in Freiheit.
→ Diese Fragen kannst du dazu stellen: Ist Beate Zschäpe in ein anderes Gefängnis verlegt worden? Hat einer der anderen Angeklagten seine Strafe bereits verbüßt? Muss jemand überhaupt nicht mehr in Haft, weil der Rest der Strafe nach der Untersuchungshaft zur Bewährung ausgesetzt wird?
– Die Bundesanwaltschaft führt weitere Ermittlungsverfahren gegen neun Verdächtige und eines gegen unbekannt.
→ Diese Fragen kannst du dazu stellen: Ist in einem oder mehreren der Verfahren bereits Anklage erhoben worden? Gab es womöglich sogar schon einen Prozess und ein Urteil? Sind die Verfahren eingestellt worden? Aus welchen Gründen? Sind neue Verdächtige hinzugekommen?
– Viele Neonazis haben sich gefreut, dass die noch immer rechtsextremen Angeklagten Ralf Wohlleben und André Eminger nach dem Prozess in Freiheit gekommen sind.
→ Diese Fragen kannst du dazu stellen: Was machen sie heute? Wurden sie auf rechtsextremen Kundgebungen oder Demonstrationen gesehen? Werden sie vom Verfassungsschutz oder der Polizei beobachtet?
Natürlich findest du aktuelle Nachrichten, wenn du die entsprechenden Suchbegriffe eingibst. Du kannst dazu aber auch gezielt aktuelle Nachrichten, Hintergrundinfos, Bücher oder Projekte recherchieren:
– Übersichtsseite bei Spiegel Online
– Übersichtsseite bei sueddeutsche.de
– Übersichtsseite bei Zeit Online
– Die Seite der Aktivistengruppe NSU Watch (hierbei handelt es sich nicht um eine unabhängige Medienseite von JournalistInnen!)
– www.nsu-watch.info (Die Autoren waren bei jedem Prozesstag dabei und haben auch einen Podcast zum NSU-Prozess erstellt)
– www.stolpersteine.eu (Die Geschichten zu den goldenen Stolpersteinen, die du bestimmt auch aus deiner Stadt kennst. Sie erinnern an Opfer des Nationalsozialismus)
– www.correctiv.org (Nachrichten zu Naziverbrechen und Recherchen zu gesellschaftlichen Fragen)
– blog.zeit.de/stoerungsmelder (Aktuelle Berichte von Nazi-Demos und nationalistischen Aktivitäten)
– www.belltower.news (Auflistung rechtsextremer Taten, Presseschau, viele Links mit Informationen zu Nazis)
– www.kein-raum-fuer-rechts.de (Hier kannst du in einem interaktiven Raum Symbole, Musik und Kleidung von Neonazis entdecken)
– Angriff von rechts: Die Strategien der Neonazis – und was man dagegen tun kann (Patrick Gensing, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN: 3423345519)
– Neonazi (Timo F., Arena, 3401503472)
– Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (Christian Fuchs, Rowohlt, 3498020056)
– www.artikel-eins.de (Initiative, die sich für Menschrechte einsetzt und bei der Umsetzung von Projekten gegen Rechts hilft)
– www.bayerisches-buendnis-fuer-toleranz.de (Hier bekommen Vereine und Initiativen Unterstützung, wenn sie sich gegen Rechts engagieren)
– www.vollmar-akademie.de (Fortbildungen und Vorträge für Lehrer und Schüler zu politischen Themen)
– www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de (Seite der bayerischen Staatsregierung gegen Rechtsextremismus)
Aufgaben
Recherchiere eigenständig im Internet nach den Urteilen gegen die Unterstützer des NSU. Sie heißen:
– Ralf Wohlleben
– Carsten Schultze
– André Eminger
– Holger Gerlach
In diesem Kapitel findest du zahlreiche Reaktionen auf das Urteil. Fasse die wichtigsten Aussagen zusammen, schreibe selbst deine persönliche Meinung zum Urteil auf und begründe sie kurz.
Viele Opferfamilien leiden bis heute unter den Taten; auch, weil das Gericht nicht alle Hintergründe aufklären konnten. Schreibe aus Sicht einer Opferfamilie einen Brief an das Gericht und beschreibe deine Gefühle im Bezug auf das Urteil.
Recherchiere im Internet, ob das Thema NSU-Prozess auch in den Jahren danach noch eine Rolle in den Medien gespielt hat und fasse in Stichworten zusammen, was seit dem Urteil passiert ist.
Bildquellen
- Angeklagte im NSU-Prozess: dpa/Peter Kneffel