Wenn du die Kapitel dieses Buches durchgearbeitet hast, bist du fast schon ein Experte zum Thema NSU! Der Fall hat gezeigt, wie gefährlich rechtsextremes Gedankengut ist und wie sehr es Menschen schaden kann – nicht unbekannten “Fremden”, sondern BürgerInnen, die unsere FreundInnen und NachbarInnen sein können.
Inhalt
Fazit
- Das NSU-Trio radikalisierte sich in einem ebenfalls rechtsradikalen Umfeld in ihrer Heimatstadt Jena (z.B. Winzerclub).
- Eine tiefe Unzufriedenheit mit dem politischen System gab es in breiten Teilen der Öffentlichkeit, insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung.
- Bereits frühzeitig gab es Hinweise auf die Gefahr, die von den späteren Rechtsterroristen ausging.
- Die Opfer wurden willkürlich ausgewählt, die Täter schlugen scheinbar zufällig an unterschiedlichen Orten zu – kein Mensch mit Migrationshintergrund sollte sich sicher fühlen!
- Weder Ermittler und Medien erkannten anfangs einen Zusammenhang zwischen den Taten.
- Noch heute wird etwa mit Gedenkplaketten an die Opfer erinnert.
- Die Ermittler schlossen einen rechtsterroristischen Hintergrund lange Zeit aus und blockierten damit selbst ihre Ermittlungen.
- Den Sicherheitsbehörden unterliefen zahlreiche Fehler und Fehleinschätzungen, auch weil sie das Potential rechter Gewalt unterschätzten.
- Die Angehörigen leiden bis heute unter den Folgen.
- Der NSU konnte nur mit Hilfe von gleichgesinnten UnterstützerInnen jahrelang unerkannt im Untergrund leben.
- In einem Mammutprozess sollten alle Hintergründe detailliert aufgearbeitet werden.
- Der Prozess wurde kritisch begleitet – die Urteile sorgen noch heute für Gesprächsstoff.
- Das Gericht hat nach mehr als 5 Jahren und 400 Verhandlungstagen ein Urteil gesprochen.
- Es gibt unterschiedliche Reaktionen auf das Urteil. Manche ProzessbeobachterInnen loben das Gericht, fordern aber auch weitere Ermittlungen.
- Die AnwältInnen der Verurteilten haben Revision eingelegt. Das bedeutet: Andere RichterInnen werden sich das Urteil ansehen und überprüfen.
Was kann ich gegen Rechtsextremismus tun?
Arno Speiser ist Experte in Sachen Rechtsextremismus: Er arbeitet bei der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Neustadt an der Waldnaab (Bayern) und hilft Menschen, die etwas gegen Neonazis und rechte Sprüche machen wollen.
Herr Speiser, wie erkennt man eigentlich einen Neonazi?
Das ist nicht mehr so einfach wie früher – da sind sehr viele in Bomberjacke und Springerstiefel rumgelaufen und hatten eine Glatze. Heute erkennt man so jemanden, wenn man mit ihm spricht. Er oder sie redet darüber, dass „wir Deutsche“ eine andere Gruppe als Gegner hätten. Zum Beispiel „die Ausländer“, „die Muslime“, „die Juden“ oder „die Homosexuellen“. Er oder sie macht Stimmung gegen eine schwächere Minderheit. Es gibt übrigens auch MigrantInnen, die sich rassistisch äußern. Manche Muslime haben zum Beispiel etwas gegen Juden; auch da solltest du widersprechen!
Was kann ich machen, wenn ein Mitschüler auf dem Pausenhof rassistisch beschimpft wird? Wenn zum Beispiel jemand sagt: „Du Scheiß-Türke“?
Der größte Fehler wäre, nichts zu tun. Hol dir Hilfe! Sprich andere an, sag ihnen, was dort passiert. Dann merkt derjenige, dass er nicht einfach irgendwen anmachen kann. Sag ihm, dass er aufhören soll. Danach solltest du außerdem einen Lehrer ansprechen. Es ist wichtig, über so einen Vorfall im Unterricht zu sprechen, damit sowas nicht noch einmal passiert.
Wie kann ich mich gegen Rechtsextremismus engagieren?
Zuerst solltest du dir bewusst sein: Wir leben in einer Demokratie. Und die müssen wir verteidigen. Klopft jemand im Unterricht rechte Sprüche? Dann widersprich ihm. Auch, wenn jemand in deinem Freundeskreis oder im Sportverein etwas gegen AusländerInnen sagt: Steh auf, halte dagegen. In vielen Städten gibt es Bürgerinitiativen gegen Rechtsextremismus, außerdem die mobilen Beratungsstellen. Dort kann man rechtsextreme Vorfälle melden und bekommt kostenfrei Hilfe. Außerdem kann man zu Demonstrationen gehen, dort Flagge zeigen – und den Rechten klar machen, dass die meisten Menschen ein vielfältiges, buntes Deutschland haben möchten.
Schulhofsprüche
Arno Speiser gibt Tipps, was man sagen kann, wenn jemand typische rechte Parolen von sich gibt und so andere von seiner falschen Meinung überzeugen will.
Ausländer sind doch alle kriminell!
Das kannst doch nicht verallgemeinern! Vor allem: Wie kommst du darauf? Sag mir doch mal, wo das steht! Ich will Beweise! Und alle anderen hier auch… Außerdem gibt es “die Ausländer” nicht, weil jeder Mensch anders ist, egal wo er herkommt.
Flüchtlinge passen nicht zu uns!
Natürlich haben viele von den Flüchtlingen eine andere Kultur, aber die kommen doch vor allem, weil sie Hilfe brauchen. Sie werden in ihrer Heimat verfolgt, weil es dort Krieg gibt! Wenn das bei uns so wäre, willst du doch auch weg, oder? Außerdem haben gerade Menschen von außerhalb viel hierher gebracht, was wir toll finden - angefangen beim Essen wie Döner, Pizza oder Sushi, aber auch ganz andere Lebensentwürfe und Ansichten, die unser Leben bereichern. Außerdem ist es christlich, wenn man anderen Menschen hilft. Steht sogar im Grundgesetz!
Bald gibt es keine Deutschen mehr in Deutschland!
Was ist für dich Deutsch? Und Deutschland? Du bist doch auch da und hast doch bestimmt auch Bock auf Familie. Schon immer gab es Zuwanderung nach Europa, nach Deutschland und nach einer Eingewöhnungszeit gehörten diese Menschen einfach zu uns, waren Deutsche. Forsche einmal in deiner Familie. Wer weiß, wie international dein Stammbaum ist.
Was du über die Szene wissen solltest
Es gibt bei uns einige rechte Parteien, die regelmäßig bei Wahlen antreten. Die bekannteste ist sicher die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) mit fast 5100 Mitgliedern. Weitere rechte Parteien sind z.B. die Republikaner mit rund 4800 Mitgliedern oder die Rechte mit ca. 500 Mitgliedern. Außerdem gibt es rechtspopulistische Parteien wie die AfD (Alternative für Deutschland) oder Vereine wie Pro NRW, in denen sich islamfeindliche Menschen mit einer rechts-konservativen Einstellung treffen.
Weitere Informationen zur NPD und wie sie vorgeht, findest du auf der Themenseite der Bundeszentrale für politische Bildung.
Vielleicht wurdest du auch schon mal vor der Schule angesprochen oder hast eine CD überreicht bekommen. So versuchen Nazis junge Menschen für ihre radikalen Ansichten zu begeistern. Manchmal laden sie auch in geheimen Facebook- oder Whatsapp-Gruppen zu Konzerten, bei denen Rechtsrock gespielt wird und Nazis ungehemmt gegen AusländerInnen oder die Bundesregierung hetzen.
Nazis nutzen immer öfter das Internet und verbreiten ihre Botschaften auf zahlreichen Internetseiten und in sozialen Netzwerken. Außerdem gibt es etliche rechtsextreme Buch- und Musikverlage.
Zum Wahlkampf 2005 hatte die NPD auf vielen Schulhöfen CDs verteilt. Das Bündnis Endstation rechts hat dazu ein Dokument (PDF-Format) mit Informationen und Argumenten gegen die rechte Propaganda veröffentlicht.
Forscher von der Uni Leipzig untersuchen alle zwei Jahre die politische Einstellung der Menschen in Deutschland. Sie gehen davon aus, dass ungefähr 5,6 Prozent der Deutschen eine rechtsradikale Einstellung haben, 18,1 Prozent gelten als ausländerfeindlich.
Hier findest du die aktuelle Ausgabe der Leipziger Autoritarismus-Studie „Flucht ins Autoritäre“ (PDF-Format, Stand: 2018).
Projekte gegen Rechtsextremismus
Gegen Rechtsextremismus vorzugehen, ist wichtig – nicht nur, weil daraus grausame Taten wie die des NSU entstehen können. Rechte Ideologie ist auch deshalb schädlich, weil sie für Ausgrenzung von Menschen und Angst in der Gesellschaft verantwortlich ist.
Doch man kann etwas tun! Hier findest du Beispiele, wie engagierte Menschen gegen Neonazis in ihrer Region vorgegangen sind.
Ende 2013 wurde bekannt, dass eine rechtsextreme Partei, die sich Bürgerinitiative soziales Fürth (BiSF) nannte, in den Stadtrat der mittelfränkischen Stadt einziehen wollte. Das fanden BürgerInnen, die sich gegen rechts engagieren, natürlich sehr besorgniserregend.
Um kandidieren zu können, muss man zunächst prozentual zur Einwohnerzahl einer Kommune eine bestimmte Anzahl von Unterstützerunterschriften sammeln. In Fürth sind knapp 400 Unterschriften nötig. Die Anhänger der BiSF begannen daher, in der Fürther Innenstadt Flugblätter zu verteilen. Darin forderten sie BürgerInnen auf, Behörden im Rathaus ihre Unterschrift für eine Kandidatur der BiSF zu leisten.
Um zu verhindern, dass unbedarfte BürgerInnen auf die „soziale“ Tarnung hereinfallen, starteten Mitglieder der Antifa, einer Gruppe gegen rechts, eine Aufklärungskampagne: Sie entwarfen einen Flyer, in dem sie über das Treiben der Bürgerinitiative aufklärten. Sobald Rechtsextreme beim Verteilen von Flugblättern entdeckt wurden, schwärmten die NazigegnerInnen aus und überreichten den Menschen, die ein Flugblatt der BiSF in den Händen hielten, ihren eigenen Flyer. Sie erstellten sogar einen richtigen Schichtplan, damit immer jemand vor Ort sein konnte, wenn die Neonazis in der Stadt aufliefen.
Insgesamt beteiligten sich etwa einhundert Menschen an der Gegenkampagne. Viele BürgerInnen waren überrascht – erst durch die AktivistInnen lernten sie, wen sie da vor sich hatten. Die Aktion war ein Erfolg: Die BiSF bekam weniger als die Hälfte der nötigen Unterschriften zusammen und durfte somit gar nicht erst zur Kommunalwahl antreten.
Quelle: Birgit Mair, „Extreme Rechte und Rassismus in Bayern – Eine Bestandsaufnahme und was wir dagegen tun können“, Georg-von-Vollmar-Akademie, 2018
Der Wirt einer Regensburger Innenstadtkneipe half einer dunkelhäutigen Frau und ihrem Kind, die von Neonazis rassistisch beleidigt wurden. Einige Zeit später kamen die Neonazis in seine Kneipe, schlugen den Wirt brutal zusammen und verwüsteten die Einrichtung. Mit solchen Gewaltmethoden wollen Neonazis erreichen, dass die Menschen Angst vor ihnen bekommen und sich nicht mehr für Opfer rechter Gewalt einsetzen.
Engagierte NazigegnerInnen starteten daraufhin die Kampagne „Keine Bedienung für Nazis“. Gemeinsam mit dem Wirt, der befürchtete, immer wieder Angriffsziel von Neonazis zu werden, entwickelten sie eine Strategie: Sie sprachen mit vielen anderen Wirtsleuten in der Stadt und beschlossen, dass möglichst viele Gaststätten und Kneipen an ihre Eingangstür einen Aufkleber mit den Worten „Rassisten werden hier nicht bedient“ anbringen sollen. Zudem gaben sie eine Broschüre heraus, die den GastronomInnen in Regensburg Tipps für den Umgang mit extrem rechter Kundschaft bietet. Bisher haben sich rund zweihundert Gaststätten an der Aktion beteiligt. Ein ganz ähnliches Projekt gibt es seit Mitte 2015 unter dem Motto „München ist bunt“ auch in der bayerischen Landeshauptstadt.
Quelle: Birgit Mair, „Extreme Rechte und Rassismus in Bayern – Eine Bestandsaufnahme und was wir dagegen tun können“, Georg-von-Vollmar-Akademie, 2018
Aufgaben
Schreibe einen Brief an deine(n) SchulleiterIn. Versuche ihn/sie zu überzeugen, stärker gegen Fremdenhass in der Schule vorzugehen! Schlage ihm/ihr dabei konkrete Maßnahmen vor, mit denen die Schulleitung, die KlassenlehrerInnen und auch die SchülerInnen Fremdenhass begegnen können.
Recherchiere im Internet nach weiteren Projekten gegen Rechtsextremismus. Stelle ein Projekt in Form eines Kurzreferates deinem/deiner BanknachbarIn vor!
Überlege dir, wie du zukünftig über den NSU sprechen wirst und fertige eine Liste mit den wichtigsten Punkten an, die du in Erinnerung behalten möchtest. Begründe, warum du gerade diese Punkte ausgewählt hast.